Ihre Fragen an GESSI – Wir antworten

Wenn Sie Fragen zum German Standards Setting Institute oder zu einem der Standarddokumente haben, dann nutzen Sie bitte das unten stehende Formular.

Ihre Online Frage wird entweder direkt vom GESSI Team beantwortert oder an Experten aus den jeweiligen Arbeitsgruppen weitergeleitet.

Bitte beachten Sie: Selbstverständlich kann es hier nur um allgemeine Hinweise im Vorfeld einer individuellen Beratung gehen. Irgendeine Gewähr auf Richtigkeit kann nicht übernommen werden. Dieser Haftungsausschluss gilt auch für unsere Experten. Nur mit Klarnamen und sämtlichen Adress- und Kontaktdaten zugegangene Fragen werden beantwortet oder weitergeleitet. GESSI versichert Vertraulichkeit Ihrer persönlichen Daten zu.

Wandeldarlehen

Pooling beim Wandeldarlehen

Ich bin derzeit im Seed-Fundraising. In der Praxis werden Wandeldarlehn teils für sehr geringe Tickets in Höhe von nur 25-50 k verwendet, was bei einer Wandlung zu Eigenkapital zu einem größeren Cap-Table führen würde. Wie muss ein Pooling direkt in den Dokumenten zu den Wandeldarlehn berücksichtigt werden? Muss hierfür bereits eine Poolinggesellschaft gegründet werden und eine Pooling-Vereinbarung getroffen werden?

Antwort von Rechtsanwalt Till-Manuel Saur, Osborne Clarke (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Wandeldarlehen):

Die Standarddokumente enthalten in der Wandlungsverpflichtung bereits eine Klausel, mit der sich die Darlehensgeber verpflichten, im Rahmen der Wandlung einer Gesellschaftervereinbarung beizutreten, die auch ein Pooling beinhalten kann.

Bei Abschluss der Wandeldarlehen muss also noch nichts unternommen werden. Sobald die Darlehensgeber Gesellschafter werden, muss die Poolingstruktur aufgesetzt werden. Hier gibt es verschiedene Varianten. Von einem sehr einfachen, und kostengünstigen, aber nicht sehr sicheren vertraglichen Stimmrechtspooling über etwas komplexere aber sicherere Treuhandstrukturen, bis hin zu relativ komplexen Strukturierung von Poolinggesellschaften (Kapitalpooling) ist alles möglich.

Ergänzung der GESSI Redaktion:

GESSI hat auch Standardverträge zum Pooling entwickelt und zwar sowohl zum Stimmrechtspooling als auch zum Kapitalpooling. Der Standardvertrag für das Stimmrechtspooling ist mit einer Vertragsstrafe ausgestattet und daher ziemlich sicher. Beim Treuhandpooling ist zu beachten, dass Angels bei dieser Variante den INVEST Zuschuss nicht erhalten können.

Wandeldarlehen

Zinsberechnung beim Wandeldarlehen

„Alle Punkte Ihrer extrem hilfreichen Starthilfe haben sich uns gut erschlossen. Lediglich diesen Abschnitt im Paragraph 2.1 des Wandeldarlehen Templates konnten wir nicht nachvollziehen: ‘…ein Jahr 360 Tage hat, 12 Monate, eingeteilt in jeweils 30 Tage.‘ Worauf stützt sich diese von der konventionellen Kalenderrechnung abweichende Formel?“

Nr. 2.1 des GESSI Wandeldarlehensvertrages lautet:
Das Darlehen wird mit einem Zinssatz von [●●●●] % p.a. („Zinssatz“) verzinst, beginnend vom Eingang des Darlehensbetrages auf dem Gesellschaftskonto („Auszahlungstag“), basierend darauf, dass ein Jahr 360 Tage hat, 12 Monate, eingeteilt in jeweils 30 Tage.

Antwort von Rechtsanwalt Till-Manuel Saur, Osborne Clarke (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Wandeldarlehen):

Es gibt eine ganze Reihe unterschiedliche Zinsberechnungsmethoden. Wir haben uns für die sogenannten „deutsche Methode“ entschieden. Diese Methode wird z.B. bei Wikipedia näher erläutert, ebenso wie andere Zinsberechnugnsmethoden:

Deutsche (kaufmännische) Zinsmethode
Der Zinsmonat umfasst immer 30 Tage, das Zinsjahr umfasst immer 360 Tage. In Monaten mit 31 Tagen werden der 30. und 31. als insgesamt ein Tag gezählt. Geht der Zeitraum über den Februar hinaus, so hat dieser auch 30 Tage. Bei Geschäften, die per Ende Februar enden, wird der Februar mit seinen tatsächlichen 28 oder 29 Tagen gezählt. Beispiele: 10. Januar 2001 bis 28. Februar 2001 ergibt 20 + 28 = 48 Tage, 10. Januar 2001 bis 10. März 2001 ergibt 20 + 30 + 10 = 60 Tage und 28. Februar 2001 bis 10. März 2001 ergibt 2 + 10 = 12 Tage.

  • Das Basisjahr wird ebenso wie Zinsmonat und Zinsjahr unabhängig von der Anzahl der tatsächlichen Tage mit 360 Tagen angesetzt.
  • Je nach Anlageart wird entweder der erste Anlagetag oder der letzte Anlagetag verzinst und der andere nicht.
Wandeldarlehen

Verpflichtung zum Pooling bei Wandlung

Was ist die Intension dieses Absatzes?

Was genau ist mit „Pooling von Gesellschafterrechten“ gemeint? Insbesondere welche genauen Gesellschafterrechte sollen gepoolt werden?

Welche genaue Bedeutung hat das Wort „auch“ (… welche AUCH ein Pooling von Gesellschafterrechten enthalten kann.)? Das Wort lässt meines Erachtens Interpretationsspielraum hinsichtlich der Auslegung zu z. B. Zustimmung zur Gesellschaftsvereinbarung, die auch XY beinhalten.

Absatz 5.8.4
Im Falle der Durchführung der Wandlung verpflichtet sich der Darlehensgeber, alle notwendigen Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, um nach Wahl der Gesellschaft ohne Änderungen, Vorbehalte oder Modifikationen bedingungslos entweder (i) der Gesellschaftervereinbarung (soweit bestehend) beizutreten oder (ii) Partei einer neu abzuschließenden Gesellschaftervereinbarung betreffend die Gesellschaft zu werden, welche auch ein Pooling von Gesellschafterrechten enthalten kann.

Interpretation:
Der Unterzeichner erklärt sich im Voraus mit einer Gesellschaftsvereinbarung einverstanden, deren Inhalt ihm nicht bekannt ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass die Umwandlung im Vertrag als verpflichtend vorausgesetzt wird.

Antwort von Rechtsanwalt Till-Manuel Saur, Osborne Clarke (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Wandeldarlehen):

Sie haben absolut Recht. Der Wandeldarlehensvertrag ist an dieser Stelle relativ vage und nicht sehr spezifisch formuliert. Die Formulierung ist aber ganz bewusst genau so vage gewählt. Der Hintergrund ist, dass die Wandlung im Regelfall im Zuge der nächsten Finanzierungsrunde stattfindet und der Darlehensgeber sich an die mit dem Lead-Investor verhandelten Bedingungen andockt und dieselben Bedingungen für sich akzeptiert. Diese Bedingungen müssen, damit das Unternehmen für zukünftige Lead-Investoren attraktiv bleibt, frei verhandelbar sein. Folglich geht der Darlehensgeber durch die offenen Formulierungen im Wandeldarlehnsvertrag ganz bewusst eine gewisse Offenheit für die in der Zukunft verhandelten Investmentbedingungen ein.

Dem Pooling kommt hierbei eine ganz besondere Bedeutung zu. Viele VCs akzeptieren mittlerweile keine fragmentierten Captables mehr, da der Abstimmungsbedarf und die möglichen Konflikte innerhalb der Gesellschaft mit der Anzahl der ungepoolten Gesellschafter steigen. Um auch hier das Start-up attraktiv für Investments durch VCs zu halten, stimmt der Darlehensgeber ganz bewusst bereits im Wandeldarlehensvertrag zu, sich einem -noch näher zu definierenden-Pooling zu unterwerfen.

Wandeldarlehen

Standard-Klausel zum Thema Rang der Anteile

Liebes GSSI-Team, bei einer meiner Beteiligungen nutzen wir eure Wandeldarlehensvorlage und sind nun auf Grund einer kurzen Laufzeit im Fall der Zwingenden Wandlung angekommen. Der Darlehensvertrag enthält folgende Standard-Klausel zum Thema Rang der Anteile: "Die im Rahmen einer Zwingenden Wandlung geschaffenen Neuen Geschäftsanteile sollen mit den gleichen Rechten und Vorzügen wie die ranghöchsten zum Zeitpunkt der Zwingenden Wandlung existierenden Geschäftsanteile versehen werden. Bei Gründung des Unternehmens haben zwei Investoren je 30k EUR investiert und wurden hierfür als „Gründungsinvestoren“ mit folgenden Rechte/Vorzüge belohnt: a. Einfach anrechenbare Liqui-Pref b. Übliche Veto/Zustimmungsrechte (Investorenmehrheit, etc.) Diese Rechte/Vorzüge sind aber nur im damals geschlossenen SHA festgelegt und nicht Teil der Satzung. Es gibt keine Definition von "Investorenanteilen" oder "Preferred Shares". Auf meinen Hinweis, dass ich erwarten würde, dass wir CLA-Investoren dem SHA auch als Gründungsinvestoren beitreten wurde mir geantwortet: "Unsere aktuellen Geschäftsanteile sind alle gleich, die Abgrenzung der Gründungsinvestor*innen ist rein auf Parteien/Personen bezogen und nicht auf die Anteilsklasse. Da wir ja nun “zwingend wandeln” und keine neuen Anteilsklassen im Rahmen einer qualifizierten Runde ausgeben, tretet ihr in derselben Anteilsklasse wir [...] Gründungsparteien bei." Wir Darlehensgeber sind von dieser Aussage sehr verblüfft. Ist dies ein einfacher "Taschenspielertrick", um Wandeldarlehensgeber schlechter als andere Investoren zu stellen? Wie argumentiert man sinnvoll gegen diese Aussage? Sowohl die Liquidationspräferenz als auch die Vetorechte sind ja primär zum Schutz unserer Investition in das Start-Up vorgesehen. Wie definiert ihr "ranghöchste Geschäftsanteile"? Um die Frage auch für den Fall einer qualifizierten Runde zu stellen: Könnte das Start-Up mit dem Lead Investor einer qualifizierten Runde nicht auch so argumentieren, dass im Rahmen des SHAs nur personalisierte Rechte an den Lead Investor vergeben werden, die aber keinen Rang von Anteilen darstellen/begründen. Das würde den Gleichrang der CLA-Investoren aushebeln. Wir würden uns über eine zeitnahe Rückmeldung freuen, da der Notartermin zur Wandlung in 10 Tagen bevorsteht.

Antwort von Rechtsanwalt Till-Manuel Saur, Osborne Clarke (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Wandeldarlehen):

Vereinzelt wird im Rahmen von Wandeldarlehensverträgen ausdrücklich festgelegt, mit welchen Rechten bzw. Vorzügen die an den Wandeldarlehensgeber auszugebenden Gesellschaftsanteile ausgestattet sein sollen. In der Praxis hat es sich indes eingebürgert, von allzu detaillierten Regelungen im Wandeldarlehensvertrag abzusehen. Insbesondere, um zum Zeitpunkt des Abschlusses des Wandeldarlehens noch nicht bekannte Lead-Investoren einer Folgerunde nicht abzuschrecken. Es ist durchaus üblich, dass Lead-Investoren personalisierte Sonderrechte -z.B. einen Board Seat- fordern, die die Wandeldarlehensgeber gerade nicht erhalten sollen.
 
Oftmals wird im Wandeldarlehensvertrag schlicht vereinbart, dass das Wandeldarlehen in diejenigen Vorzugsanteile (mit den gleichen Rechten) gewandelt wird, die in der nächstfolgenden Finanzierungsrunde ausgegeben werden bzw. zum Zeitpunkt der (Zwingenden) Wandlung existieren. An dieser Praxis hat sich auch das GESSI-Muster orientiert und schlicht eine Wandlung in die „ranghöchsten Geschäftsanteile“ vorgesehen. Eine Definition der „ranghöchsten Geschäftsanteile“ enthält das GESSI-Muster nicht.
 
Eine gerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob „ranghöchsten Geschäftsanteile“ (oder ähnliche Formulierungen) streng nach dem Wortlaut oder eher nach Sinn und Zweck auszulegen sind, existiert – soweit ersichtlich – nicht. Der Wortlaut spricht für die Auslegung der Gesellschaft. Schlägt man sich argumentativ klar auf die Seite des Wandeldarlehensgebers, ließe sich gut argumentieren, dass der Sinn und Zweck der Regelung über den reinen Wortlaut hinausgeht: der Wandeldarlehensgeber soll dieselben Rechte erhalten wie die Investoren der Finanzierungsrunde (bzw. der letzten Finanzierungsrunde). Dies entspricht der Logik typischer VC-Investments und dürfte somit Bestandteil der Investmententscheidung eines Investors sein. Die Anknüpfung an Anteilsklassen folgt lediglich aus dem Umstand, dass Vorzugsrechte wie Liquidations- bzw. Erlösverteilungspräferenzen, Anti-Dilution Klauseln, etc. in VC-Investments üblicherweise an Anteilsklassen geknüpft und nicht personalisiert gewährt werden. Ziel der Formulierung dürfte zudem nicht sein, ein Tor für Umgehungsgeschäfte zu öffnen, in der Form, dass Vorzugsrechte im Rahmen von Finanzierungsrunden bewusst „nur“ personalisiert gewährt werden.
 
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir mit dieser Argumentation den Grundgedanken der GESSI-Verträge ein wenig strapazieren. Als Standardverträge soll die GESSI-Wandeldarlehensdokumentation einen einfachen Weg darstellen, rechtsichere Verträge abzuschließen, die einerseits die große Mehrheit aller Standardfälle abdecken, gleichzeitig aber auch der jeweiligen Targetcompany ermöglichen einzelnen Gesellschaftern Sonderrechte zu geben. Außerdem sollen die Verträge ein die Interessen aller Parteien (Gesellschaft, Bestandsgesellschafter und Wandeldarlehensgeber) in angemessener Form würdigen.  Eine Regelung die besagt: „Die Wandeldarlehensgeber bekommen immer jedes mögliche im Gesellschafterkreis bestehende Sonderrecht“, war nicht intendiert. Das führt im vorliegenden Fall zugegebenermaßen zu einem aus Sicht der Wandeldarlehensgeber nicht gewünschten Ergebnis. Das liegt aber im wesentlichen daran, dass ein Standardvertrag naturgemäß nicht jeden Sonderfall abdecken kann. Aus diesem Grund werden die Muster bewusst als Word-Dokumente ausgegeben, um sie auf den individuellen Einzelfall nach Bedarf anzupassen.

Mitarbeiterbeteiligung

VSOP Standard für AG?

Vielen Dank für die Erarbeitung von Standards für die virtuelle Mitarbeiter:innenbeteiligung am Beispiel der GmbH. Wir sind gerade auf der Suche nach Vorlagen für die Rechtsform der AG. Habt ihr eine Idee wo man hier fündig werden könnte und ob man eure Vorlagen hier auch nutzen oder ggf. anpassen kann?

Antwort von Rechtsanwalt Dr. Jens Wenzel, Hengeler Müller (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Mitarbeiterbeteiligung):

Wir gehen davon aus, dass man auf den für die GmbH entwickelten Dokumenten auch für die AG zumindest ganz gut aufsetzen kann. Im Aktienrecht gibt es einige Sonderregeln für (echte) Aktienoptionen, bei denen m.W.  z.T. umstritten ist, ob sie auch für virtuelle Programme gelten. Ihr rechtlicher Berater sollte ausgehend von den GmbH-Standarddokumenten etwaigen Anpassungsbedarf mit überschaubarem Aufwand ermitteln und umsetzen können.

Mitarbeiterbeteiligung

Ausübungsereignis bei VSOP – Zum Verständnis der GESSI Texte

Wir haben ein Problem aus der Praxis mit der Formulierung der Ausnahme. Wir verstehen zwar, dass Verschiebungen von Anteilen innerhalb einer Firmengruppe bzw. einer Familie kein Trigger sein sollen. Aber: Im gerade erlebten Fall war es so, dass vor einiger Zeit Anteile an einen strategischen Investor durch Kapitalerhöhung ausgegeben worden waren, und jetzt wurde ein Exit so gestaltet, dass dieser Gesellschaft alle Anteile von den anderen Gesellschaftern erworben hat.

Wenn ich die Ausnahme im Mustervertrag richtig lese, würde ein solcher Ausstieg durch Übernahme aller Anteile durch einen Gesellschafter nicht die “Ausübung” triggern.

Das wäre nicht die Intention der Beteiligten, und ich glaube auch nicht, dass das von den Verfassern des Musters beabsichtigt war.

 

Im GESSI Standard VSOP heißt es in Nr. 5.2 Buchst. a) der Optionsbedingungen:

Als „Ausübungsereignis“ im Sinne dieser Optionsbedingungen gilt der Vollzug (d.h. Closing)

a) des Verkaufs und der Übertragung von über [fünfzig Prozent (50%)] der Gesellschaftsanteile an der Gesellschaft im Rahmen einer oder mehrerer zusammenhängender Transaktionen [(mit Ausnahme von Veräußerungen an Gesellschafter, mit Gesellschaftern verbundene Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG, an nahestehende Personen von Gesellschaftern im Sinne von § 15 AO oder, soweit der übertragende Gesellschafter ein Investmentvermögen ist, an andere Investmentvermögen, die von mindestens einer juristischen oder natürlichen Person verwaltet oder in Bezug auf ihre Investmententscheidungen regelmäßig beraten werden, die auch das übertragende Investmentvermögen verwaltet oder regelmäßig berät)] („Share Deal-Exit“),

Antwort von Rechtsanwalt Clemens Höhn, Berlin, Hengeler Müller (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Mitarbeiterbeteiligung):
Die betreffende Passage ist im GESSI Muster bewusst in eckige Klammern gesetzt und grau hinterlegt, weil sie nicht in jedem Fall passt. Das geschilderte Szenario (strategischer Investor im Cap Table, der möglicherweise Käufer ist) wäre ein Szenario in dem man diesen Zusatz häufig nicht aufnehmen oder zumindest modifizieren würde. Dann sollte man aber auch den nächsten Punkt (verbundene Unternehmen) i.d.R. nicht aufnehmen.

Mitarbeiterbeteiligung

Vorlagen negative Liquidationspräferenz

Wir sind derzeit im Prozess der Umstrukturierung unserer Gesellschaft. Alte Gesellschafter sollen dem Team Anteile abtreten ohne das steuerliche Kosten anfallen. Wir bedienen uns hier der Methode der negativen Liquidationspräferenz, kurz NLP. Im Rahmen dieser NLP wird ein spezieller Kaufvertrag abgeschlossen und die Gesellschaftervereinbarung muss angepasst werden. Haben Sie Vorlagen zu diesem Thema, die Sie uns zur Verfügung stellen könnten?

Antwort von Rechtsanwalt Clemens Höhn, Berlin, Hengeler Müller (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Mitarbeiterbeteiligung): NLP wird wie Sie schon richtig gesagt haben, v.a. durch eine Anpassung des SHA umgesetzt, muss aber immer an die konkreten vertraglichen Regelungen angepasst werden. Sie lässt sich aufgrund der häufig recht unterschiedlichen Liq. Pref. Regelungen und individuellen Besonderheiten derzeit nicht wirklich standardisieren.

Die vertragliche Umsetzung selbst ist eigentlich vergleichsweise einfach, muss aber natürlich im Einzelfall an die bestehenden Vertragswerke angepasst werden:

  • Im SHA (und ggf. in der Satzung) sind die Anteile zu bestimmen, die mit der NLP belegt werden und der Betrag der NLP muss festgelegt werden.
  • Der Waterfall/die Liq. Pref. werden derart angepasst, dass die NLP Shares (meist) auf der letzten Stufe mit den Common Shares pro rata partizipieren, aber erst wenn die auf sie entfallenden Erlöse rechnerisch den NLP Betrag erreicht haben.
  • Teilweise werden auch weitere Anpassungen vorgenommen, wenn die Beteiligung rein wirtschaftlich sein soll (etwa Stimmrechtsentzug, Pooling in Beteiligungsvehikel o.ä.).
  • Teilweise wird auch ein gecapptes VSOP ausgegeben, um das Delta zum NLP Betrag auszugleichen. Die Erlöse dürften i.d.R. der ungünstigeren Lohnsteuer unterliegen.
  • I.d.R. wird eine Lohnsteueranrufungsauskunft und/oder verbindliche Auskunft des Finanzamts eingeholt, um das Risiko einer abweichenden Besteuerung der NLP Shares als der Lohnsteuer unterliegender geldwerter Vorteil zu reduzieren (dry-income Risiko).

Mitarbeiterbeteiligung

Verfallsregelung bei VSOP

Was ist der konkrete Hintergrund des Verfalls nach einer bestimmten Laufzeit? Gibt es hier steuerliche Gründe (wie z.B. in den USA) oder andere Gründe? Dies widerspricht ja grundsätzlich der Idee des VSOP, den Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen und scheint mir dem Mitarbeiter gegenüber unfair.­

In den Optionsbedingungen des Standardtextwerks VSOP heißt es unter Punkt 3.3 e):
„3.3 Sämtliche gevesteten und nicht gevesteten Optionen verfallen [stets] ersatz- und entschädigungslos, […] spätestens [zehn (10) Jahre] nach dem Zuteilungstag.

Rechtsanwalt Dr. Jens Wenzel, Hengeler Müller (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Mitarbeiterbeteiligung):
Es ist nicht unüblich, für den Fall des Ablaufs eines bestimmten Zeitraums ohne Exit eine Verfallsregelung vorzusehen. Dabei wird die Frist so bemessen, dass sie länger ist als der angestrebte und für realistisch gehaltene Exit-Horizont. Die dahinterstehende Überlegung ist, dass sich in diesem Fall die ursprünglichen Erwartungen nicht erfüllt haben und es quasi im ersten Versuch "nicht geklappt hat". Dann möchte man reinen Tisch für ein neues Programm haben, das den dann vorherrschenden Rahmenbedingungen gerecht wird. Es gibt aber im Markt auch Programme ohne Höchstfrist.

Finanzierungsrunde

Zustimmung zur Anteilsabtretung, Ziff. 6.2 und 6.5 der Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung

In Ziffer 6 des Beteiligungsvertrags „Verfügung über Geschäftsanteile“ wird zwar auf die Regelungen des neuen Gesellschaftsvertrages Bezug genommen und verwiesen. Das Wording der Regelungen in Ziffer 6.2 und 6.5 müsste aber meiner Meinung nach so ausgelegt werden, dass hier eigene Zustimmungspflichten für die Übertragung von Geschäftsanteilen vereinbart werden. Die Verpflichtung zur Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen begründet das Beurkundungserfordernis nach § 15 Abs.4 GmbHG. Die Verpflichtung zur Zustimmung löst die Beurkundungspflicht aber nicht aus, richtig?

Antwort von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weitnauer, Weitnauer Rechtsanwälte (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Finanzierungsrunde):
Ihr Verständnis, dass die Verpflichtung zur Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils der notariellen Form bedarf, so wie auch die Abtretung selbst, § 15 (3) und (4) GmbHG, nicht aber die Verpflichtung zur Zustimmung zur Anteilsabtretung eines Mitgesellschafters, ist richtig. Denn dies stellt lediglich eine Stimmbindungsabrede für einen Gesellschafterbeschluss dar, der im Hinblick auf die sog. Vinkulierung der Anteile nach Ziff. 11.1 iVm Ziff. 7.4 lit. c der GESSI-Satzung erforderlich ist. Denn danach sind die Anteile nicht frei veräußerbar, sondern es setzt die Übertragung die Zustimmung der Gesellschafter voraus. Dies kann nach § 15 (5) GmbHG in der Satzung so vorgesehen werden. Damit verpflichtet sich aber keiner der zur Zustimmung verpflichteten Gesellschafter zur Übertragung seiner eigenen Anteile. Der bloß zustimmende Beschluss bedarf keiner Form, daher auch nicht die Verpflichtung ihn unter den beschriebenen Voraussetzungen zu fassen.

Finanzierungsrunde

Berechnung der Abfindung im Bad-Leaver-Fall

Statt – wie in der Vergangenheit üblich – das Vesting als aufschiebend bedingte Rückübertragung in eine Gesellschaftervereinbarung aufzunehmen, mit der Folge, dass die Gründer verpflichtet sein können, ihre Geschäftsanteile zum Nominalbetrag an die Gesellschaft zurückübertragen zu müssen, sieht die Satzung der GESSI Standardvertragswerks „Finanzierungsrunde“ in Nr. 16.4 (a) im Bad-Leaver-Fall die Zwangseinziehung mit der Folge einer Buchwertabfindung vor. Nach der Definition in Nr. 17 der Satzung berechnet sich der Buchwert aus der Summe des Nennbetrags der eingezogenen Geschäftsanteile, der auf die eingezogenen Geschäftsanteile entfallenden anteiligen Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen sowie Verlustvorträge, wie in der Bilanz der Gesellschaft zum Abschlussstichtag, der dem Einziehungsbeschluss vorausgeht, ausgewiesen.

Angenommen, es hat kurz zuvor eine Finanzierungsrunde stattgefunden, mit der Folge, dass in der freien Kapitalrücklage 5 Millionen Euro liegen, dann ist der auf die Geschäftsanteile entfallende Buchwert sehr hoch (vor allem im Vergleich zur Rückübertragung zum Nominalbetrag). Zudem steht der Buchwert nie zweifelsfrei fest, d.h. die Ermittlung kann auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein.

Antwort von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weitnauer, Weitnauer Rechtsanwälte (juristisch federführende Kanzlei der GESSI Arbeitsgruppe Finanzierungsrunde):

„Dem  Bedenken der Anfrage  trägt  Ziff. 17.1.2 Satz 6 der GESSI-Satzung Rechnung: Dort heißt es, dass Zuzahlungen in die Kapitalrücklage, die Gegenstand von Liquidationspräferenzen sind, bei der Berechnung des Buchwerts nicht zu berücksichtigen sind. Der Buchwert ist relativ einfach aus dem maßgeblichen letzten Jahresabschluss abzuleiten.

 

Die Regelung des Leaver-Falls als Einziehungsgrund vermeidet die in einem Beteiligungsvertrag vorzusehende Rückübertragungsverpflichtung, die der notariellen Form bedürfte und daher den Beteiligungsvertrag insgesamt beurkundungsbedürftig machen würde. Die Formfreiheit des Beteiligungsvertrags war aber gerade eines der gestalterischen Ziele des GESSI Standardvertragswerks „Finanzierungsrunde“. Die alternativ vorgesehene Abtretungsermächtigung in Ziff. 16.8 der Satzung führt zum gleichen Ergebnis wie eine Call Option. Es bedarf dafür zwar  eines Beschlusses, anders als bei einer aufschiebend bedingten Rückübertragung. Sind allerdings die Gründe des Leaver-Falls streitig, etwa im Fall einer Kündigung aus wichtigem Grund, kann das Erfordernis eines gesonderten Gesellschafterbeschlusses über die Einziehung bzw. Zwangsabtretung  durchaus streitbereinigend wirken.“

Syndizierung und Pooling

Unwiderruflichkeit der Vollmacht des Poolsprechers - Zulässiger Zeitraum, in dem eine Kündigung des Poolvertrages ausgeschlossen werden kann

Seitens GESSI wird der Standardvertrag zum Stimmpooling durch die Vertragsstrafe als besonders "hart" und sicher beschrieben. Es wird seitens der Poolmitglieder eine unwiderrufliche Vollmacht an einen Poolsprecher vergeben - dennoch kann die Poolvereinbarung nach Ablauf der vertraglich festgelegten Mindestdauer gekündigt werden. Wie genau ist das zu verstehen? Die Vollmacht ist unwiderruflich, aber kündbar - ist das nicht ein Widerspruch?

Antwort von Christan Schon, Tigges RAe

Hier muss grundsätzlich zwischen der Unwiderruflichkeit der Vollmacht und der grds. Kündigungsmöglichkeit des Stimmbindungs- und -Poolvertrags unterschieden werden. Die Unwiderruflichkeit der Vollmacht bezieht sich ausschließlich auf die jeweilige (zeitlich befristete) Amtszeit des entsprechenden Poolsprechers. Dies soll sicherstellen, dass der jeweils amtierende Poolsprecher immer über die entsprechenden Bevollmächtigungen zur Ausübung seines Amtes verfügt. Andernfalls könnte ein Poolmitglied (ohne Angabe von Gründen) seine jeweilige Vollmacht jederzeit widerrufen.

 Die (nach Ablauf einer bestimmter Mindestdauer) bestehende Möglichkeit eines Poolmitglieds seine Teilhabe an dem Stimmbindungs- und -Poolvertrags zu kündigen führt dazu, dass das kündigende Poolmitglied aus dem Stimmbindungs- und -Poolvertrags ausscheidet und der Vertrag mithin für dieses Mitglied endet. Insofern sich nicht auch die übrigen Poolmitglieder anschließen, wird der Stimmbindungs- und -poolvertrag unter den übrigen Poolmitgliedern fortgesetzt (siehe Ziffer 7.4). Andere Gestaltungen sind hier jedoch möglich (siehe Seite 4, Ziffer 7 der Verwendungshinweise). Scheidet ein Poolmitglied aus, hat dieses grundsätzlich auch einen Anspruch gegenüber dem amtierenden Poolsprecher, dass dieser die Vollmacht zurückgibt, bzw. nicht mehr ausübt. Gleiches gilt natürlich auch, wenn der gesamte Stimmbindungs- und -poolvertrag aufgelöst wird.

Und was ist ein üblicher Mindestvertragszeitraum, der hier aus Sicht des Startups verlangt werden kann? Kann auch eine Unkündbarkeit der Pooling-Vereinbarung bedingt werden? Das kommt grundsätzlich immer auf den Einzelfall und die Hintergründe des hinter dem Stimmbindungs- und -Poolvertragsliegenden Investments an. In der Regel dürfte jedoch ein Zeitraum zwischen 0-5 Jahren nicht unüblich sein.

 Verstehe ich das richtig, dass die Pooling-Vereinbarung aus Startup-Sicht somit Sicherheit bis zur Mindestkündigungsfrist (üblicherweise 0-5 Jahre) bietet? Kann die Mindestkündigungsfrist auch bei einem längeren Zeitraum, z.B. 10-15 Jahre oder länger liegen? In einem Online-Beitrag (las ich z.B. auch mal etwas von 30 Jahren.

 Die Zeit des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung bietet eine gewisse Sicherheit, da man auf den Bestand des Poolings (Kündigung aus wichtigem Grund mal ausgenommen) vertrauen kann. Wie lange der Zeitraum des Ausschlusses bemessen wird, ist grundsätzlich flexibel bestimmbar. Es kommt hierbei immer auf den jeweiligen Einzelfall und die Interessen der Beteiligten an. In der Regel ist ein Zeitraum zwischen 0-15 Jahren nicht zu beanstanden. Ein längerer Zeitraum ist im Einzelfall auch möglich, man sollte dann jedoch eine Begründung dafür haben. Ein Ausschluss für die Ewigkeit ist rechtlich nämlich nicht möglich. Ab wann man von „Ewigkeit“ auszugehen hat, ist dabei jedoch nicht klar bestimmbar und wird in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen.